Geschichtlicher Überblick
Erste Kontakte
um 2000 v. Chr.
Berber aus Nordwestafrika besiedeln die Kanarischen Inseln in mehreren Schüben. Da sie keinen Kontakt zur übrigen Welt haben und schriftliche Zeugnisse aus jener Zeit fehlen, ist über die Frühgeschichte der Bewohner nur wenig bekannt.
ab 1100 v. Chr.
Phönizische Seefahrer erkunden den Ostatlantik und laufen dabei möglicherweise auch die Kanarischen Inseln an.
um 800 v. Chr.
Die antiken Schriftsteller Homer und Hesiod berichten von paradiesischen Inseln jenseits der Straße von Gibraltar.
25 v. Chr.
Der römische Vasall König Juba II. von Mauretanien entsendet ein Expeditionskorps zum Archipel. Nachzulesen ist dies in der „Naturgeschichte“ des Historikers Plinius d. Ä. (23–79 n. Chr.), der die geografische Lage der Inseln relativ genau wiedergibt.
2. Jh. n. Chr.
Der alexandrinische Geograf Ptolemäus verortet den Rand der Welt an den Kanarischen Inseln. El Hierro markiert die Westgrenze der damaligen Welt, durch sie wird der Nullmeridian gezogen.
4. Jh. n. Chr.
Mit dem Zerfall des Römischen Reiches geraten die Kanarischen Inseln aus dem Blickfeld der Europäer.
999
Dem Araber Ben Farroukh gelingt die Wiederentdeckung der Kanarischen Inseln, doch verknüpfen sich hiermit keine Eroberungsabsichten.
Die Zeit der Eroberung
1336
Lancelotto Malocello, ein Genueser in portugiesischen Diensten, landet auf der später nach ihm benannten Insel Lanzarote, die 1339 auf der Landkarte des Mallorquiners Angelino Dulcert eingetragen wird. Die Nachbarinsel trägt den Namen La forte Ventura (Fuerteventura).
ab 1341
Die iberischen Königreiche Portugal, Kastilien und Aragonien rivalisieren um den Besitz des kanarischen Archipels und entsenden mehrere Expeditionen. Fuerteventura ist zu dieser Zeit in ein größeres Nord- und ein kleineres Südreich geteilt, denen jeweils ein Stammesfürst vorsteht. Sklavenjäger nehmen zahlreiche Bewohner gefangen und verkaufen sie auf dem Markt in Sevilla.
1344
Auch die Kirche meldet Besitzansprüche an. Papst Clemens VI. verleiht den Königstitel an den „herrenlosen“Inseln seinem Günstling Luis de la Cerda, Sohn des enterbten Alfons von Kastilien. Der Besitztitel am Archipel gehtdamit laut christlicher Rechtsauffassung auf die kastilischeKrone über. Luis de la Cerda hat jedoch die Inseln nie selbstbetreten. Ab 1351 werden Missionare entsandt.
1402
Jean de Béthencourt, normannischer Adliger in kastilischen Diensten, erobert Lanzarote und darf sich daraufhin mit dem Titel „König der Kanarischen Inseln“ schmücken. Während er zum kastilischen Hof zurückreist, um Verstärkung für die Unterwerfung der übrigen Inseln anzufordern, unternimmt sein Stellvertreter Gadifer de la Salle einen ersten Landeversuch auf Fuerteventura. Von Ajuy (Puerto de la Peña) stoßen die Truppen ins Inselinnere vor.
1404 – 1405
Béthencourt besetzt Fuerteventura, gründet im fruchtbaren Inselzentrum den Ort Betancuria und macht ihn zur Hauptstadt der Insel. Die Eroberung wird auf El Hierro ausgedehnt, doch der Versuch, auch die übrigen Inseln einzunehmen, scheitert. Béthencourt kehrt nach Frankreich zurück und überlässt die Verwaltung seinem Neffen.
Ab 1418
Der Archipel wird in den folgenden 36 Jahren mehrfach verkauft und getauscht, ist vorübergehend auch in portugiesischem Besitz.
Feudalherrschaft
1454
Für fast 400 Jahre gehen die Ostinseln Fuerteventura und Lanzarote in den Besitz des andalusischen Adelsclans Herrera über. Die Bauern müssen ihm ein Fünftel aller Einkünfte abtreten, ein weiteres Zehntel geht an die geistliche Obrigkeit. Wichtigste Einkommensquelle der Feudalherren wird der Sklavenhandel: Von geschützten Buchten starten Expeditionen nach Nordwestafrika. Berber und Schwarzafrikaner werden auf dem Markt von Gran Canaria gewinnbringend verkauft, teilweise auch zur Arbeit auf den Gütern des Inselherrn eingesetzt.
1474
Die Heirat von Isabella von Kastilien und Ferdinand von Aragonien markiert eine wichtige Etappe bei der Herausbildungdes spanischen Staates: Die vormals um die iberischeVormachtstellung konkurrierenden Königreiche vereinigensich.
1479
Der Papst als internationale Rechtsinstanz teilt den Atlantik zwischen den aufstrebenden Kolonialmächten Spanien und Portugal auf. Im Vertrag von Alcâcovas wird der kanarische Archipel endgültig Spanien zugesprochen; im Gegenzug erhält Portugal die westafrikanische Küste und alle sonstigen atlantischen Inseln.
1483 -1496
Die spanische Krone schaltet sich direkt in die Conquista der Kanaren ein und erobert nacheinander die noch heidnischen Inseln Gran Canaria (1483), La Palma (1492) und Teneriffa (1496).
Ab 1500
Dank extensiven Weizenanbaus gilt Fuerteventura zusammen mit Lanzarote als „Kornkammer der Kanaren“, während auf den fruchtbareren Nachbarinseln lukrative Exportprodukte wie Zucker und Wein angebaut werden. Doch da auf den „königlichen“ Inseln die Steuerlast erheblich geringer und die Gerichtsbarkeit weniger willkürlich ist als auf den „adligen“ Ostinseln, versuchen Bewohner Fuerteventuras immer wieder, auf die westlichen Nachbarinseln zu flüchten.
1514
Die Altkanarier werden den spanischen Siedlern rechtlich gleichgestellt.
ab1550
Für die Sklavenrazzien auf dem schwarzen Kontinent müssen die Bewohner Fuerteventuras einen hohen Preis zahlen: Bei berberischen Revanche-Attacken, die sich über das gesamte Jahrhundert erstrecken, werden nicht nur Dörfer verwüstet, sondern auch viele Bewohner verschleppt.
1593
Der berberische Korsar Morato Arráez brandschatzt die Inselhauptstadt Betancuria und raubt zahlreiche Bewohner nebst Schafen und Ziegen.
ab1595
Die europäischen Großmächte kämpfen um Kolonien, Stützpunkte und Schifffahrtswege. Die Kanaren, „Herzstück imperialer Kommunikation“ des spanischen Reiches, werden immer wieder von englischen, französischen und holländischen Korsaren angegriffen. Am stärksten betroffen sind die „königlichen“ Inseln Gran Canaria, Teneriffa und La Palma.
17.Jh.
Dürre und Hungersnöte treiben viele Bewohner in die Emigration. Die seit der Conquista betriebene Abholzung des Jandía-Massivs und die Überweidung der Insel durch Ziegen führen zu Erosion und zum Fortschwemmen des fruchtbaren Bodens.
1675
Der Inselherrscher verlegt seine Residenz nach Teneriffa und überlässt die Geschäfte einem Verwalter.
18.Jh.
Das wirtschaftliche Machtzentrum verschiebt sich von der Iberischen Halbinsel in den Nordseeraum. England und Holland, bald auch Frankreich dominieren den internationalen Handel.
1708
Der in La Oliva stationierte Militäroberst (Coronel) übernimmt die Zivilmacht, sein Amt wird erblich.
1720 – 1723
Ein Drittel der Bevölkerung flieht vor der Hungersnot nach Gran Canaria und Teneriffa.
1740
Bei Tuineje werden zwei Angriffe englischer Korsaren erfolgreich abgewehrt.
1741 – 1743
Die spanische Krone lässt bei El Cotillo und Caleta de Fustes Festungstürme errichten.
Ende 18.Jh.
Barrilla, ein zur Herstellung von Soda benötigtes Salzkraut, wird wichtigstes Exportgut. Auch gebrannter Kalk wird in größeren Mengen ausgeführt.
1815
Die vorübergehende Liberalisierung auf dem spanischen
Festland zeigt auf dem Archipel keine Wirkung. Eine Bauernrebellion der Majoreros wird von herbeigerufenen
Truppen aus Teneriffa niedergeschlagen.
1834
Im Dezember 1834 wird Antigua vorübergehend Inselhauptstadt, muss aber schon im Juli des darauffolgenden Jahres den Rang an La Oliva,
den Sitz der Coroneles, abtreten.
1837
In ganz Spanien wird die Feudalherrschaft abgeschafft: Fuerteventura ist fortan nicht mehr im Besitz einer Adelsfamilie, sondern – wie zuvor schon die „königlichen“ Inseln – direkt der spanischen Krone unterstellt.
Aufschwung und Niedergang
1852
Den kanarischen Häfen wird der Freihandelsstatus gewährt; d.h. von Zoll- und Steuerschranken befreit, werden sie als internationaler Warenumschlagplatz interessant.
ab 1854
Fuerteventura erlebt dank des Exports von Farbstoff aus zerriebenen Koschenille-Kaktusläusen einen kurzen wirtschaftlichen Aufschwung. Doch die Euphorie währt nur knapp 30 Jahre, da man in der europäischen Textil- und Kosmetikindustrie rasch Wege findet, die natürlichen durch synthetische, billigere Farben zu ersetzen.
1859
Königin Isabella II. löst die Institution des Militärobersten in La Oliva auf.
1860
Der Hafenort Puerto de Cabras (ab 1957 Puerto del Rosario) wird neue Inselhauptstadt.
ab 1880
Der Freihandel lockert die ökonomischen Bande zum Mutterland. Die als Industrie- und Handelsmacht weltweit dominierenden Briten können sich als führende Wirtschaftskraft auf dem Archipel etablieren. Sie nutzen ihn als Zwischenstopp auf dem Weg in ihre neuen westafrikanischen Kolonien. Auf Fuerteventura führen sie den Anbau von Tomaten ein.
1898
Nach dem Verlust der letzten Kolonien Spaniens in Übersee (Kuba, Puerto Rico, Philippinen) bemühen sich
Deutschland, Frankreich und Belgien vergeblich um den
Kauf der Kanarischen Inseln als eines attraktiven Stützpunkts zur Sicherung der Handelsrouten und zur Erschließung Afrikas.
1912
Durch die Einrichtung des Cabildo Insular (Inselrat) erhält Fuerteventura begrenzte Selbstverwaltungsrechte.
ab 1914
Der U-Boot-Krieg im Ostatlantik führt zu einer totalen Isolation der Kanarischen Inseln von der Außenwelt.
ab 1918
Der wirtschaftliche Einfluss der Briten geht zurück, die spanische Regierung bemüht sich um Reintegration der „vergessenen Inseln“.
1924
Fuerteventura wird zur „Insel der Verbannten“: Während der Diktatur Primo de Riveras, später auch unter der Francos werden aufmüpfige Geister auf die Wüsteninsel abgeschoben. Der bekannteste von ihnen ist der Rektor der Universität Salamanca Miguel de Unamuno.
1936
Der nach Teneriffa strafversetzte General Franco unternimmt am 18. Juli einen Staatsstreich gegen die demokratisch gewählte republikanische Regierung in Madrid. Mit den ihm loyalen Truppen aus den spanischen Kolonien Nordwestafrikas marschiert er auf der Iberischen Halbinsel ein. Dies ist der Beginn eines dreijährigen Bürgerkriegs, der mit dem Sieg Francos endet. Auf Fuerteventura regt sich kaum Widerstand, Gefolgsleute Francos übernehmen sofort die Kontrolle.
1940 – 1944
Spanien erklärt sich im Zweiten Weltkrieg für neutral.
Doch kommt es mit der deutschen Regierung zu Geheimabsprachen, denen zufolge Spanien bei der Einnahme der britischen Kronkolonie Gibraltar militärische Hilfe leisten soll (Militärplan Felix-Isabella).
ab 1945
Unter der Herrschaft Francos werden die Kanarischen
Inseln stärker an das „Mutterland“ angebunden. Auf Fuerteventura werden Talsperren gebaut und der Anbau von Sisalagaven für die Garnindustrie gefördert. Allerdings reichen diese Maßnahmen nicht aus, um die Insel aus der Armut zu befreien: Zahlreiche Majoreros emigrieren und suchen ihr Heil in Venezuela.
Tourismus-Ära
Ab 1960
Die Franco-Regierung gewährleistet politische und fiskalische Rahmenbedingungen, aufgrund derer sich ausländische Investoren sichere Profite ausrechnen dürfen. Auf den Kanarischen Inseln kommt es zu einem gewaltigen Bauboom, es entstehen riesige Touristenzentren.
1966
Auf Fuerteventura sind die touristischen Anfänge bescheiden: Das erste Hotel in Jandía (Casa Atlántica) wird von einem Deutschen gebaut, wenig später entstehen Anlagen in Corralejo.
1975
Nach dem Tod Francos leitet sein Nachfolger König Juan Carlos I. den Demokratisierungsprozess ein. Die Kolonie Spanisch-Westsahara wird aufgegeben, neuer Standort der dort abgezogenen Fremdenlegion wird die Hauptstadt Fuerteventuras. Die Inbetriebnahme einer ersten Meerwasserentsalzungsanlage macht den Weg frei für die forcierte touristische Erschließung.
1979
Seitens der NATO wird der Aktionsradius vom Nordpol bis zum Äquator ausgedehnt, der kanarische Archipel ausdrücklich ihrem Sicherheitsbereich unterstellt.
1980
Die Fremdenlegionäre, die etwa ein Viertel der Bevölkerung stellen, führen sich wie die Herren der Insel auf und schrecken selbst vor der Ausschaltung unliebsamer Politiker nicht zurück. In Puerto del Rosario kommt es zu Straßenschlachten, doch Madrid zieht die Soldaten nicht ab.
1982
Die Kanarischen Inseln erhalten ein Autonomiestatut, dürfen im Bereich von Kultur und Wissenschaft relativ selbständig handeln. Auf Fuerteventura wird verstärkt in den Tourismus investiert; die Reederei Fred Olsen richtet einen täglichen Fährverkehr zwischen Corralejo und Playa Blanca auf Lanzarote ein. Mit den Dünen von Corralejo und der vorgelagerten Insel Lobos wird erstmals ein Gebiet unter Naturschutz gestellt.
1986
Spanien wird Vollmitglied von NATO und EG (später EU). Es profitiert von ausländischen Investitionen und EU-Subventionen, die dem Land einen ungeahnten Wohlstandsschub bescheren: Das „Armenhaus Europas“ wird zum Modell gelungener Modernisierung.
Auf Fuerteventura wird der Tourismus wichtigster Wirtschaftszweig, zahlreiche Pisten werden asphaltiert und neue Entsalzungsanlagen gebaut.
1991 – 1995
Der kanarische Archipel profitiert von den Kriegen im Irak und auf dem Balkan, zählt zu den „touristischen Kriegsgewinnlern“ (SZ).
1995 – 2000
Die EU vergibt Gelder in Milliardenhöhe für „ultraperiphere Regionen“. Auf Fuerteventura fließt das Geld in den Bau von Straßen, es entstehen landeskundliche Museen und der Aussichtspunkt Morro Velosa. Im Süden ist „Qualitätstourismus“ angesagt. Gebaut werden Vier- und Fünfsternehotels, später auch Golfplätze.
2001 – 2005
Der von der Regierung erlassene touristische Baustopp (Moratorium) wird in den Ferienorten ignoriert.
2005 – 2008
Immer mehr Afrikaner versuchen, mit Booten das „gelobte Land“ (Canarias) zu erreichen, werden dort aber nicht mit offenen Armen empfangen. Viele Kanarier möchten nicht daran erinnert werden, dass bis ins 20. Jahrhundert zahlreiche Mitglieder ihrer Familien gleichfalls zur Emigration in andere Länder gezwungen waren.
2009
Fuerteventura wird UNESCO-Biosphärenreservat.
2010
Dank der Billigflieger kommen wieder mehr Touristen nach Fuerte.